Nachfolge für das 9-Euro-Ticket

Nachdem es im Sommer 2022 für drei Monate bundesweit das 9-Euro-Ticket gab, haben wir uns an verschiedene Politiker*innen gewandt mit der Bitte, dass sie sich für ein klima- und sozialverträgliches Nachfolgeticket einsetzen.

Unser Schreiben an die Politiker*innen

Sehr geehrter Herr/Frau Minister….., BM, Abgeordnete*r,

die Klimainitiative Windeck ist ein Zusammenschluss von Windecker Bürger*innen, die sich für die verschiedenen Themenbereiche des Klimaschutzes engagieren. Wir setzen uns u. a. für eine nachhaltige Verkehrswende ein, die so schnell wie möglich umgesetzt werden muss. In Zusammenarbeit mit der Bürgerenergie Rhein-Sieg eG haben wir zum Beispiel mehrere e-carsharing-Angebote einigen Ortschaften umgesetzt, was im ländlichen Raum leider noch Seltenheitswert hat. Weitere Informationen zu unserer Initiative finden Sie unter: www.klimainitiative-windeck.de

Windeck ist eine ländlicher Kommune im östlichen Rhein-Sieg-Kreis mit vielen kleineren Ortschaften, die z.T. noch nicht an den ÖPNV angeschlossen sind. Viele Menschen pendeln täglich zu ihrem Arbeitsplatz in Siegburg, Bonn, Köln oder Siegen. Hierzu bietet die Siegstrecke der Bahn auf dem Gemeindegebiet eine gute Verbindungsmöglichkeit mit 5 Haltepunkten, davon 3 für den Regionalexpress.

Die meisten Bürger*innen nutzen ein KFZ für den Individualverkehr, also den Einkauf in den Einkaufszentren, Besuche bei Freunden und Bekannten, sowie für die sog. letzte Meile, dem Transfer vom Bahnhof nach Hause.

Da die Bahn aufgrund fehlender Infrastruktur, mangelhafter Logistik und der Überlastung des Schienennetzes im Nadelöhr Köln oft verspätet ist bzw. ganz ausfällt, müssen die meisten von uns auch in absehbarer Zeit das Auto weiter auch als Notreserve nutzen, um zur Arbeit oder an ihr persönliches Ziel zu kommen.

Eine Nachfolgelösung für ein 9-Euro-Ticket darf deshalb nicht zu teuer sein. Ein Preis von etwa 30 Euro im Monat oder 365 Euro im Jahr wäre aus unserer Sicht eine bezahlbare Variante. Wir können uns auch eine regionale Lösung für das Rheinland und den näheren Bereich von Rheinland-Pfalz vorstellen.

Andererseits ist ein Einzelticket in die Kreisstadt Siegburg mit derzeit 8,20 Euro oder nach Köln und Bonn mit 11,90 Euro viel zu teuer. Das Monatsticket kostet 241,70€! Die für die Tarifgestaltung zuständigen Entscheidungsgremien haben für das kommende Jahr bereits Tariferhöhungen beschlossen, so dass mit einer deutlichen Preissteigerung der ÖPNV-Nutzung zu rechnen ist.  Wir weisen darauf hin, dass die Einführung eines erschwinglichen Bahntickets für viele Bürger*innen Windecks eine Grundvoraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe ist – und eine Voraussetzung dafür, das Auto nicht nutzen zu müssen.

Wir möchten Sie deshalb bitten, die Einführung des 30-Euro-Tickets bzw. des 365 Euro – Jahrestickets in den politischen Gremien zu unterstützen und gleichzeitig einen schnellen Um- und Ausbau des öffentlichen Verkehrs voranzutreiben. Hierzu gehört auch der schnelle Ausbau des On-Demand-Verkehrs wie ein Anruf-Sammeltaxi in alle Ortschaften. Eine Finanzierung wäre aus unserer Sicht möglich durch den Abbau der Subventionierung des Autoverkehrs (Abbau der Dieselsubventionierung, Abschaffung des Dienstwagenprivilegs, Parkplatzbewirtschaftung sowie Neuausrichtung der Infrastrukturinvestitionen zugunsten des öffentlichen Verkehrs).

Durch die Einführung eines einheitlichen Tickets können zudem nach Ansicht von Fachleuten Vertriebskosten in Höhe von 5-7 Milliarden Euro eingespart werden.

Bitte unterstützen Sie unser Anliegen und sorgen Sie mit für eine schnelle Verkehrswende. Jeder kleine Schritt zählt.

Wir beabsichtigen dieses Schreiben und (mit Ihrer Zustimmung) Ihre Reaktionen darauf auf unserer Website zu dokumentieren, um den Bürger*innen in Windeck den Verlauf und das Ergebnis unserer Bemühungen zu vermitteln. Senden Sie bitte Ihre Rückantwort bis zum 22.10.22 an nachfolgende E-Mailadresse. Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Klimainitiative Windeck

i.A. Ewald Baum

Die Antworten der Politiker*innen

Antwort des Stabstellenleiters vom Rhein-Sieg-Kreis Dr. Berbuir

„[…] Die Situation des ÖPNVs in Windeck ist mir sehr wohl bekannt und besonders die Schienenverbindungen in Richtung Siegburg und Köln sind – wie sie auch einleitend schreiben – sehr gut. Wo es noch Bedarf gibt ist der ÖPNV vor Ort, dem wir uns ganz aktuell zusammen mit der Gemeinde Windeck widmen. Wir planen derzeit in Windeck ein neues Busnetz mit flächendeckender erheblicher Verbesserung der Verkehre (zukünftig i.A. mindestens Stundentakt in allen größeren Ortslagen). Voraussetzung dafür ist die Integration des bislang außerhalb des ÖPNV laufenden Schulbusverkehrs. Die dadurch möglichen Synergien sollen in eine Verbesserung des ÖPNV „für alle“ fließen, zzgl. würden wir darüber hinausgehend noch weitere Verbesserungen umsetzen. Der Prozess ist aktuell mitten im Gange und eine fertige Planung gibt es noch nicht. Beschlussfassungen sollen bis Jahresende erfolgen. Einen Zwischenbericht haben wir im Haupt- und Finanzausschuss der Gemeinde am 07.06.2022 gegeben. [Weiterlesen]

Antwort des Bundesverkehrsministers Dr. Wissing

„Sehr geehrter Herr Baum,

vielen Dank für Ihre E-Mail an Bundesminister Dr. Wissing. Er hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.

Die Zuständigkeit für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) liegt bei den Ländern und Kommunen, nicht beim Bund. Der Bund unterstützt die Länder mit finanziellen Mitteln, insbesondere über das Regionalisierungsgesetz (RegG). Der Koalitionsausschuss hat am 3. September 2022 die Einführung eines bundesweiten Nahverkehrstickets beschlossen. Dafür will der Bund den Ländern jährlich 1,5 Mrd. Euro für ein preislich attraktives Ticket zur Verfügung stellen, wenn sich die Länder mindestens mit dem gleichen Betrag beteiligen. Detailfragen, wie beispielsweise der Preis, sind nun zeitnah von Bund und den Ländern in einem gemeinsame Konzept für ein bundesweit nutzbares, digital buchbares Abo zu erarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Ihr Bürgerservice“

Antwort der Bundestagsabgeordneten Nicole Westig

„Sehr geehrte Damen und Herren,

die drastisch gestiegenen Energiepreise stellen für viele Bürgerinnen und Bürger eine enorme Belastung dar. Daher hat die Ampelkoalition mit dem umfangreichen Entlastungspaket zügig für eine kurzfristige Entlastung gesorgt. Neben dem Tankrabatt sollte das Neun-Euro-Ticket dazu beitragen, die gestiegenen Kosten für Pendlerinnen und Pendler für drei Monate zu dämpfen. Bundesverkehrsminister Wissing hat mit dem Neun-Euro-Ticket einen erfolgreichen Lösungsvorschlag initiiert und umgesetzt. Denn neben dem günstigen Preis hat auch seine Einfachheit in dem sonst sehr komplexen Tarifdschungel zur Attraktivität beigetragen, sodass viele Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit ergriffen haben, neue Mobilitätsmöglichkeiten mit dem ÖPNV auszuprobieren.

Das Neun-Euro-Ticket hat aber auch die Schwächen des ÖPNV-Systems schonungslos aufgedeckt. Überfüllte Züge und eine weitere Zunahme an Verspätungen zeigen, dass Zustand und Kapazitäten des Schienennetzes am Limit sind. Jahrzehntelang wurden Investitionen aufgeschoben. Daher sollte die höchste Priorität darin liegen, das Angebot zu verbessern, das den Pendlerinnen und Pendlern überhaupt die Möglichkeit gibt, zuverlässig mit der Bahn oder dem Bus zur Arbeit zu gelangen. An vielen Orten in Deutschland mangelt es noch immer an einer geregelten Taktung und einer zuverlässigen Infrastruktur. Nicht zuletzt sind es die unübersichtlichen Tarifstrukturen, die den ÖPNV oft kompliziert und unattraktiv machen.

Die große Nachfrage nach einer Nachfolgeregelung ist angesichts des Erfolgs des Tickets nachvollziehbar. Vor allem der einfache, digitale Zugang hat ein großes Interesse für das Neun-Euro-Ticket geweckt. Daher muss es nun unser Anspruch sein, dass es gelingt, dauerhaft ein bundesweit einheitliches, einfaches und digitales ÖPNV-Ticket über die fragmentierten Verkehrsverbunds- und Preisstrukturen hinweg zu etablieren. Eine dauerhafte und ausschließliche Finanzierung durch den Bund wird allerdings, besonders vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltslage, nicht möglich sein. Für den ÖPNV sind ohnehin die Länder zuständig. Diese sind jetzt ganz klar in der Pflicht, durch eine umfassende Strukturreform die Voraussetzungen für einen besseren ÖPNV zu schaffen und sich ebenso wie Nutzerinnen und Nutzer, in erster Linie angemessen an den Kosten für eine Nachfolgelösung zu beteiligen. Wir sind angehalten, die knappen Steuermittel zielgerichtet einzusetzen, sodass das ÖPNV-Angebot verbessert, die Qualität erhöht und vor allem die Infrastruktur erhalten und ausgebaut werden kann. Als FDP-Bundestagsabgeordnete werde ich mich gerne dafür einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Nicole Westig MdB“

Antwort des Landtagsabgeordneten Martin Metz

„Sehr geehrter Herr Baum,

danke für Ihre E-Mail.

Danke auch für das von Ihnen geschilderte Engagement der Klimainitiative Windeck. Es ist sehr schön, dass auch in den ländlichen Räumen Themen nachhaltiger Mobilität durch die Bürgerschaft vorangebracht werden.

Die sehr problematisch Preisgestaltung im VRS ist mir bewusst. Gerade Menschen aus ländlichen Räumen müssen für Fahrten in die regionalen Zentren derzeit viel zahlen – aus meiner Sicht zu viel.

Daher begrüße ich sehr, dass derzeit ein Vorschlag für ein bundesweit gültiges 49-Euro-Ticket gute Chancen auf eine Umsetzung hat. Die GRÜNEN, in NRW vor allem der Verkehrsminister Oliver Krischer, haben einen großen Beitrag daran, dass dieses Konzept nun auf dem Tisch liegt. Ein 49-Euro-Ticket mag zwar je nachdem immer noch (zu) teuer sein, wäre jedoch im Vergleich zu heute eine deutliche Verbesserung, z.B. für Windeck – sowohl wegen des Preises wie auch wegen der unproblematischen Verbund- und Landesgrenzen überschreitenden Gültigkeit. Und zudem kann man annehmen, dass unterhalb dieses bundesweiten Tickets die Verbünde auch noch günstigere Tickets mit einem geringeren Preis anbieten werden. Dies wird noch Gegenstand weiterer Gespräche sein.

Für die Realisierung des vorgeschlagenen 49-Euro-Tickets setze ich mich gemeinsam mit den GRÜNEN im Landtag ein. Dass es kommt ist nicht sicher, aber wir wenden hohen Einsatz dafür auf, dass es klappt. Unsere Position haben wir vor einigen Tagen auch einmal ausführlich schriftlich zusammengefasst: http://martinmetz.de/raus-aus-der-preisspirale-fuer-ein-guenstiges-bundesweites-oepnv-ticket

Für Ihre Anregung danke ich Ihnen herzlich und wünsche Ihnen bzw. der Initiative viel Erfolg beim weiteren Engagement. Falls Sie dabei von Landesebene Unterstützung benötigen, bin ich gerne Ihr Ansprechpartner im Landtag.

Diese Antwort können Sie gerne weiterleiten / publizieren.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Metz“

Antwort des Landtagsabgeordneten Oliver Krauß

„Sehr geehrter Herr Baum,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Ihre Bedenken hinsichtlich des Vorhabens, das Nachfolgeticket ausschließlich online anbieten zu wollen, teile ich vollumfänglich und habe diese Bedenken bereits dem Landesverkehrsminister mit auf den Weg gegeben.

Alleine die Kölner Verkehrsbetriebe haben das 9-Euro-Ticket zu rund 35 Prozent analog verkauft. Das sollte als Argument bereits ausreichen.

Bei Herrn Dr. Berbuir sind Sie an der richtigen Adresse. Ein sehr guter Mann.

Beste Grüße und eine schöne Woche!
Oliver Krauß“

Nachtrag vom 09.11.2022:

„Sehr geehrter Herr Baum,

im Rahmen der heutigen Sitzung des Verkehrsausschusses des Düsseldorfer Landtags fand eine Diskussion mit Vertretern der Verkehrsverbünde und der Verkehrsunternehmen zum „Deutschland-Ticket“ als Nachfolger des 9-Euro-Tickets statt. Dabei wurden die noch zu regelnden Punkte zusammengestellt, die vor einer Einführung des neuen Tickets noch geregelt werden sollten.

Daher gehe ich davon aus, dass ein Gespräch mit Ihnen über das Ticketangebot wahrscheinlich erst Anfang 2023 sinnvoll ist. Ich freue mich sehr, dass Ihre Bundestagsabgeordnete, Frau Winkelmeier-Becker, sich so für das Engagement der Klimainitiative Windeck begeistert, dass sie sich gerne mit Ihnen und mir gemeinsam austauschen möchte.
Das sollten wir dann bitte so angehen, finde ich.

Beste Grüße und eine gute Zeit!
Oliver Krauß“

Antwort der Bundestagsabgeordneten Elisabeth Winkelmeier-Becker

„Sehr geehrter Herr Baum,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Grundsätzlich sehe ich schon viel Positives im 9 Euro-Ticket. Es muss nun aber so weiter entwickelt werden, dass es im Sinne einer echten Verkehrswende die Menschen dauerhaft vom ÖPNV überzeugt und dass der Verkehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln dann auch verlässlich funktioniert. Offenbar ist es mit dem sehr niedrigen Preis gelungen, mehr Nutzer anzusprechen. Das zeigt die Bereitschaft zum Umstieg, wenn das Angebot stimmt. Ein wichtiger Effekt war außerdem, dass Menschen mit geringen Einkommen sich zusätzliche Mobilität – etwa den Familienausflug mit Kindern oder den Besuch von Freunden – vielleicht erstmals seit langem wieder leisten konnten. Nun muss der gestiegene Bedarf durch ein entsprechend besseres Angebot ergänzt werden. Denn der attraktive Preis hat an der Knappheit von Wagen, Infrastruktur und Personal nichts verbessert. Aus meiner Sicht ist es richtig, dafür noch mehr Geld in die Hand zu nehmen, als vor dem 9 Euro-Ticket. Der Plan eines bundesweit gültigen 49-Euro-Ticket im ÖPNV geht in diese Richtung.

Ich finde es gut, wenn generell über Nachfolgelösungen nachgedacht wird. Wie mir mein Landtagskollege Oliver Krauß berichtete, hat er Ihnen die Situation im Nahverkehr hier im Rhein-Sieg-Kreis und den Kommunen mit den dazugehörigen Chancen und Risiken bereits aus seiner Sicht geschildert, so dass ich hier nicht näher darauf eingehen möchte.

Anknüpfend an das Gesprächsangebot von Oliver Krauß möchte ich Ihnen gerne einen gemeinsamen Termin vorschlagen, um das Thema im persönlichen Gespräch eingehend zu erörtern. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung.

Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker“

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